Stellungnahme der FWG zum Haushaltsentwurf für das Jahr 2023
Nachfolgend die Haushaltsrede unserer stellv. Fraktionsvorsitzenden Dr. Ute Buchheim (es gilt das gesprochene Wort):
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,
liebe Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Bürgerinnen und Bürger der Stadt Rietberg,
als wir den diesjährigen Haushalt im Dezember des letzten Jahres verabschiedeten, waren es die Folgen und Auswirkungen von Corona, die uns allen den Schweiß und die Sorgenfalten auf die Stirn trieben. Unter dem alles beherrschenden Einfluss der Pandemie fiel es uns nicht immer leicht, politische Entscheidungen rein sachlich abzuwägen und den Haushalt wirklich zukunftsfest aufzustellen. Denn zu unsicher empfanden viele von uns die Prognosen, wie es mit den Virusvarianten weitergehen könnte und welche Effekte sich daraus für das gesamte gesellschaftliche Leben ergeben könnten – im Privaten wie auch im Öffentlichen.
Doch dann kam der 24. Februar 2022. – Und auch wenn das Sprichwort sehr schlicht ist: „Schlimmer geht’s immer“…
Durch den russischen Krieg gegen die Ukraine – gepaart mit den Folgewirkungen von Corona – sind wir mitten in einer Energiekrise, deren Ausmaß wir heute alle schon sehr empfindlich spüren – und die noch weitergehen wird. Wir leiden unter der hohen Inflation, massig Problemen bei der Materialbeschaffung und bei in einigen Branchen teilweise eklatantem Fachkräftemangel.
Und so stehen wir heute wieder vor einem Haushaltsentwurf, der uns Sorgenfalten in die Stirn treibt – nicht weil er so schlecht ist. Denn das ist dieser Entwurf weiß Gott nicht. Der Entwurf ist ordentlich gerechnet und bilanziert. Doch bei einem Blick auf die Investitionen kann einem schon mulmig werden. Ist das in diesen unwägbaren Zeiten wirklich zu stemmen? Können wir wirklich alles realisieren, was wir uns in diesen Haushaltsentwurf geschrieben haben? – Oder geht die Krisenspirale weiter und müssen wir uns dann gezwungenermaßen verabschieden von termingerechten Fristen, von errechneten Investitionen, die womöglich immer teurer werden – vielleicht sogar von freiwilligen Leistungen, die uns lieb – aber zu teuer oder nicht mehr durchführbar – sind?
Ich weiß, das hört sich alles ziemlich düster an und mir liegt es fern, nur noch schwarz zu malen. Doch ich möchte Ihr Bewusstsein noch einmal deutlich wecken – dafür, dass es für die lokale Politik und auch für die lokale Verwaltung in diesen Zeiten immer schwieriger wird, Maßnahmen zu beschließen und in gewohnter Weise durchzuführen. Und das liegt nicht daran, dass sich Politik uneins ist, sich nicht entscheiden kann oder die Verwaltung zu langsam ist. Die Welt, in der wir leben, ist komplizierter, fragiler, unsicherer geworden – und das merkt jeder einzelne von uns. Genauso ist es in der lokalen Politik und Verwaltung.
Und ich sagte es bereits: Wir stimmen heute über einen Haushaltsentwurf ab, an dem es grundsätzlich wenig auszusetzen gibt. Und der aus meiner Sicht in normalen Zeiten keinen Anlass zur Sorge gibt – nur haben wir eben nicht normale Zeiten…
Überaus erfreulich ist, dass es den Unternehmern in Rietberg gelungen ist, das super Ergebnis der Gewerbesteuer aus dem Jahr 2021 zu wiederholen. Die Gewerbesteuer-Einnahmen fast identisch geblieben und dafür spreche ich einen ganz herzlichen Dank von dieser Stelle aus. (Ich glaube, das hat einen Applaus verdient.)
Nicht zuletzt mit dieser Hilfe ist es möglich, die Projekte weiter zu realisieren – nämlich den Weiterbau des Gymnasiums, die Fertigstellung der Heizzentrale am Torfweg, die Erweiterung der Emsschule, viele Endausbauten von Straßen und die Verlegung des Bauhofes an die Bokeler Straße.
Ich greife das letztgenannte Projekt noch einmal auf: Der Umbau bzw. Umzug des Bauhofes ist nicht in dem finanziellen Rahmen gelaufen, wie zunächst geplant. – Doch können wir das in diesen Zeiten ernsthaft jemandem ankreiden? – Das, meine Damen und Herren, wird uns sehr wahrscheinlich in nächster Zeit noch sehr viel öfter passieren als uns lieb ist. – Warten wir also gespannt auf die Entstehung des Campus und hoffen wir, dass die privaten Investoren den Campus zügig realisieren. – Denn gerade so eine Einrichtung leistet einen aktiven Beitrag gegen den Fachkräftemangel hier vor Ort.
Bleiben wir beim Stichwort Fachkräftemangel: Jüngst war es das Gymnasium mit fehlenden Lehrkräften und damit verbundenem Unterrichtsausfall. Rietberger Bürger*innen oder Schüler*innen warten an Bushaltestellen vergeblich auf Busse – es gibt schlicht und ergreifend keine Busfahrer, die verlässlich den Linienverkehr bedienen können. Und ich kann in der Reihe scheinbar endlos fortfahren: Dem Handwerk fehlen die Mitarbeiter, Gastronomen haben keine ausreichende Anzahl von Aushilfen, eine dringend benötigte Erweiterung des Kindergartens in Mastholte wurde vom Träger abgelehnt, weil es keine Erzieher*innen gibt, die man einstellen könnte. Und auch in unserer Verwaltung sind Neueinstellungen überaus schwierig – auf eine letzte Ausschreibung einer Ingenieursstelle gab es nicht mal eine Bewerbung. – Und aktuell hat allein das Hochbauamt drei offene Stellen. Werden die nicht besetzt, ist es fraglich, ob die Arbeit, die wir uns in diesen Haushaltsentwurf geschrieben haben, überhaupt einigermaßen termingerecht erledigt werden kann.
Um die Überlastung bei der Bauabteilung abzufedern, hat die Politik fast einstimmig die Verschiebung einiger Projekte vorgenommen. Dieses ist nach Sicht der FWG sinnvoll und richtig.
Durch den priorisierten Bau der Dreifach Turnhalle ist die Maßnahme „Neubau/Renovierung Gesamtschule“ im nächsten Jahr nicht durchzuführen und um ein Jahr geschoben worden – aber ich betone – geschoben worden und nicht abgesetzt. Wir alle wissen um die Notwendigkeit dieses Projekts und werden uns für die Umsetzung stark machen.
Ich verweile noch kurz bei einer Betrachtung zum Thema Personal bzw. Fachkräftemangel: Mitarbeiterbindung ist in heutigen Zeiten wichtiger denn je. Die Mehrheit der FWG findet es gut, wenn wir nun, wie verabschiedet, auch die Kräfte der Stadtverwaltung mit freiwilligen Leistungen – einem Guthaben auf die Sternschnuppen – in den Genuss solcher Leistungen kommen lassen. Wir wissen, was die Mitarbeiter*innen der Verwaltung täglich leisten. Und wir möchten, dass die Verwaltung weiter so arbeitsfähig bleibt. Was in der freien Wirtschaft gang und gäbe ist, sollte auch für die Arbeit in der einer Verwaltung möglich sein. Dass die Einlösung der Guthaben auf den Sternschnuppen fast ausschließlich den heimischen Gewerbetreibenden zugute kommt, ist außerdem ein Super-Nebeneffekt. Und in diesem Zusammenhang lobe ich gern auch die Zusammenarbeit unter den Fraktionen. Ich finde, in diesem Jahr wurde nicht nur in Sachen Mitarbeiterbindung gemeinsam ein guter Ansatz gefunden. In vielen anderen – durchaus auch strittigen – Punkten empfand ich die Diskussion mit den anderen Fraktionen durchaus positiv und konstruktiv. – Auch dafür danke ich im Namen der Freien Wähler.
Ein großer Kostenpunkt in unserem Haushalt trägt die Überschrift Schule. Ich möchte betonen, dass jeder Euro, der für Bildung und damit für die Schule ausgegeben wird, seine Rechtfertigung hat. Wir möchten auf keinen Fall den Schulbetrieb durch Mittelkürzungen einschränken oder stellen uns gegen digitalen Unterricht. Wir finden es aber nicht in Ordnung, wenn diese Aufgaben ohne jegliche Aussprache oder Perspektive durch das Land einfach stickum auf die Kommunen abgewälzt wird! Das Land schreibt die Digitalisierung in den Lehrplänen vor, kümmert sich aber nicht darum, wie und durch wen Laptops und I Pads in die Schulen kommen. Das überlässt man stillschweigend und sich wegduckend den Kommunen. Und die haben dann die Wahl: entweder kaufen Eltern den Kindern das digitale Endgerät oder die Kommune zahlt für alle Schülerinnen und Schüler… In Rietberg ist der Mehrheitsbeschluss gefallen: Rund xxxx Euro kostet die Anschaffung von IPads für Schüler*innen allein im nächsten Jahr. In den Folgejahren ist mit Kosten in Höhe von xxx zu rechnen. – Diese Belastung des Haushalts wollte die FWG so nicht mittragen, sondern plädierte für eine elternfinanzierte Lösung, die gleichwohl auch vorsah, bei finanziellen Engpässen unterstützend einzugreifen. – Wir akzeptieren die Entscheidung der Mehrheit. Doch sei mir an dieser Stelle nur noch ein Einwand erlaubt: Die Stadt Schloss Holte-Stukenbrock hat jüngst festgestellt, wie in der Zeitung zu lesen war, dass von 400 Laptops, die im letzten Jahr an Schülerinnen und Schüler herausgegeben wurden, gerade mal ganze 300 heil zurückgekommen sind. Was mit den anderen 100 passiert ist? – Kaputt, einfach weg und nicht mehr auffindbar, Schüler mit Familie samt Laptop verzogen usw…. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, ob das in Rietberg in ähnlichem Maß auch passieren könnte. Und ich bleibe dabei: Ein selbst finanziertes IPad erfährt eine völlig andere Wertschätzung bei Kindern und Jugendlichen, als ein von der Schule zur Verfügung gestelltes Gerät. Allein der Verwaltungsaufwand beim Ersetzen abgängiger oder kaputter IPads bindet Arbeitsstunden, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden.
Beim Thema Schule gibt es noch einen weiteren Punkt, an dem das Land seine Hausaufgaben leider noch nie gemacht hat, sie aber ganz, ganz dringend machen muss: Denn die hohen Kosten der Schulsozialarbeit bleiben ebenfalls bei den Kommunen hängen – in unserem Fall sind das für alle Schulen zusammengerechnet rund 600.000 Euro pro Jahr. Unsere Gesellschaft, unsere Kinder und Jugendlichen, brauchen immer mehr Lern- und vor allem Lebensunterstützung. Das ist so! Und diese Arbeit gehört – genau wie das Lehren und Unterrichten – zum Betreiben einer Schule und muss damit auch in der Kostenträgerschaft des Landes liegen. Reibungsloses Unterrichten ohne den Background der Sozialarbeiter geht in heutigen Zeiten nicht mehr. Und das ist für die FWG ganz klar eine Landesaufgabe.
Ein weiteres Augenmerk müssen wir in Zukunft auf die Förderprogramme legen. Nicht alles ist Gold, was glänzt. Und damit bin ich bei einer ganz unglücklichen Sache: Den stationären Lüftungsanlagen für unsere Schulen. In Pandemiezeiten war der Druck der Elternschaft und der Öffentlichkeit groß, die Politik sah die Problematik ebenfalls und wir alle waren gelinde gesagt geschockt von den Schulschließungen, die wir alle auf jeden Fall abwenden wollten. Mit großer Eile wurde auf den Förderzug des Landes aufgesprungen, weil ja die Gesundheit der Kinder im Fokus stand. Der Förderantrag wurde auch schnell bewilligt, die Ausschreibung auf den Weg gebracht – Lüftungsanlagen allerdings waren und sind bis auf weiteres nicht lieferbar. Jetzt läuft der Förderantrag im Juni 23 ab, und bis dahin müssen die Anlagen verbaut sein. Ansonsten geht die 80prozentige Bezuschussung durch das Land flöten. Meine Damen und Herren, wir reden hier von einer Gesamtsumme von ca. xxx Euro. Was also machen? Alles aus der eigenen Tasche zahlen? Den Auftrag stornieren – sofern das so einfach geht. Ich meine: Mit Blick auf die Aussage unseres Bundesgesundheitsministers, dass die Schulen wohl doch keine so großen Virenschleudern waren und die Schulschließungen anscheinend doch nicht unbedingt notwendig waren, sollten wir auf die Anlagen ggfs. verzichten. – Doch da es derzeit vielen Kommunen so geht wie uns, bin ich gespannt, wie sich das Land verhalten wird und diese Förderung hoffentlich verlängern. Wenn nicht, dann erhärtet sich bei mir weiter der Eindruck, dass das Land eher aktiv gegen seine Kommunen arbeitet anstatt mit ihnen zu arbeiten. Und das sorgt zumindest bei den Freien Wählern, die ja nur hier lokal vor Ort politisch tätig sind, wirklich für Frust!
Worauf ich noch aufmerksam machen möchte: Wir müssen die Aufwendungen für die Corona-Maßnahmen und die Rückstellung für die Kriegs-Mehrkosten im Blick behalten. Diese Beträge sind im Jahr 2025 auszugleichen oder auf 50 Jahre mit 2 Prozent jährlich zu reduzieren. Um unsere nachfolgende Generation nicht noch mehr zu belasten, möchte die FWG diesen Posten unbedingt im Jahre 2025 auflösen.
Denn durch die z.Zt. sehr hohe Bautätigkeit in allen Bereichen unserer Kommune – Schule, Sport, Feuerwehr, Heizzentrale usw. usw. – hinterlassen wir unseren Kindern schon heute ein ziemlich großes Paket an Belastungen – und ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen hier im Rat daran zu denken: Künftig muss der Ergebnishaushalt neben den Zinsen auch die Abschreibungen und die Unterhaltungen erwirtschaften. Das sehen wir von der FWG schon als relativ schwierig an. Eine Alternative gibt es jedoch nicht.
Zum Ende dieser Rede möchte ich positiv schließen und hervorheben, dass die Stadt Rietberg nun schon im achten Jahr auf eine Erhöhung der Gewerbesteuer, der Grundsteuer A und der Grundsteuer B verzichtet. Wir finden, das ist ein deutliches Zeichen für nachhaltige und verlässliche Politik.
Meine Eingangserwähnung, dass bei diesem Haushaltsentwurf ordentlich gearbeitet wurde, wiederhole ich hier noch einmal. Deshalb stimmt die
FWG dem Haushaltsplan nach den Ergänzungen zu.
Der Stellenplan mit den Änderungen und die Anlagen zum Haushaltsplan finden ebenfalls unsere Zustimmung.
Nach diesem offiziellen Redeteil möchte ich noch einmal an uns alle appellieren. Wir alle – Politiker, die Verwaltung, Unternehmen, aber auch die Bürger – sollten in diesen Zeiten zusammenhalten und zusammenrücken. Ich möchte betonen, mit Sicht auf andere Regionen in dieser Welt, aber besonders auf die Ukraine, geht es uns hier sehr gut. Daran müssen und sollte man denken, wenn jemand meint, es ginge ihm schlecht.
Mein Dank für die Unterstützung im vergangenen Jahr geht an die Mitarbeiter*innen der Verwaltung, auch danke an die Mitglieder und sachkundigen Bürger der FWG, die unsere Arbeit in 2022 tatkräftig unterstützt haben und auch Danke an die anderen Fraktionen für die fast immer gute Zusammenarbeit.
Ich wünsche allen noch eine schöne Vorweihnachtszeit, ein gesegnetes und ruhiges Fest und einen guten Rutsch in ein hoffentlich weniger turbulentes Jahr 2023. In der Hoffnung, das ist mein größter Wunsch – Kriegsende in der Ukraine – in diesem Jahr in Erfüllung geht, möchte ich Enden. Bleiben sie alle gesund und Danke für ihr die Aufmerksamkeit.